Inside the Scene: „Standert“ Feierabendrunde

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Feierabendrunde. Das klingt erstmal nach Feierabendbier. Für viele Radsportler_innen hat die Feierabendrunde einen ähnlichen Stellenwert. Nach getaner (Lohn-)Arbeit wird eine kurze, alt bekannte Trainingsrunde bei eher gemütlichem Tempo gefahren. Manchmal tatsächlich abgeschlossen mit einem Feierabendbier unter (Radsport-)Kolleg_innen.

„Standert“ klingt für nicht-Berliner_innen erstmal verkehrt. Nach Aussage der Berliner Fahrradmarke Standert handelt es sich bei dem eigenen Namen um die Berliner Aussprache des Wortes Standard und betont damit die Herkunft des Labels. „Standard“ sind allerdings weder Räder noch Feierabendrunde der Berliner Fahrradbauer. So wird bereits in der dazugehörigen Strava-Gruppe angekündigt, dass bei der Donnerstagsrunde Renntempo gefahren und es eine Sprintwertung gibt.

Weil ich langsam fahren auch alleine kann mache ich mich also eines schönen Donnerstagabends auf zum Treffpunkt am Standert Showroom/Café im Prenzlauer Berg um mir das ganze Mal aus der Nähe anzugucken. Bereits bei meiner Ankunft 20 Minuten vor Abfahrt ist der Bürgersteig vor dem Café gut gefüllt. Bis 19:00 Uhr gesellen sich so viele weitere Radfahrer_innen hinzu, dass für Fußgänger_innen kaum noch ein Durchkommen besteht. Auch die angrenzenden Parkplätze sind längst annektiert. Ich habe viel Zeit die Teilnehmer_innen gründlich zu mustern. An Radfahrertypen ist wirklich alles vertreten. Von beinrasierten, Rapha tragenden (sehr teure Radbekleidungsmarke) Colnago-Fahrern (sehr teure Fahrradmarke) über bärtige Hipster auf individuell lackierten Rädern (Neonfarben!) und Designer-Brillen bis zu B’twin-Billo-Bikern mit dichtem Beinwinterfell. Von alten Stahlrahmen mit Rahmenschaltung bis hin zu Aero-Carbon-Racern mit Wattmesser und GPS im Cockpit. Und ich mit Versandhandel-Carbon-Rad, Marathona d’les Dolomiti-Erinnerungstrikot und drei-Tage-Beinbehaarung mittendrin.

Mit etwas Verspätung macht sich die bunte Truppe schließlich auf Richtung Grunewald. Ein wirklich ermächtigendes Gefühl im Pulk von 30 Fahrer_innen durch Berlin-Mitte zu kurven. Vorbei an Regierungsgebäuden und vielen staunenden Autofahrer_innen. Fast so politisch wie die Critical Mass und dazu viel schneller. Bei gemäßigtem Tempo bleibt die Gruppe zusammen und wir halten uns – nach ausdrücklicher Ermahnung durch die Standert-Leute – vorbildlich an die Straßenverkehrsordnung. Glücklicherweise gibt es ja § 27 StVO, der es 15 Radfahrer_innen im Verband erlaubt verpflichtende Radwege zu missachten und Ampeln geschlossen zu überfahren, auch wenn die hinteren Reihen bereits das Haltelicht sehen.

Die Gemächlichkeit lassen wir schnell hinter uns sobald wir den Grunewald erreichen. Das Tempo zieht merklich auf bis zu 50 km/h an. An jedem Hügel wird gesprintet was das Zeug hält. Dabei ist für mich kaum zu erkennen, wo denn nun die „offiziellen“ Sprints anfangen und wo enden. Trotz meiner mangelnden Ortskenntnisse beteilige ich mich rege und so ist es kein Wunder, dass innerhalb kürzester Zeit mein Garmin einen neuen Maximalpuls vermeldet: 195 Schläge pro Minute. Trotz dieses hohen Tempos wartet die Gruppe mehrmals um das versprengte Feld wieder einzusammeln.

Nach etwa 30 Kilometern Renntempo geht es dann im Verband wieder zurück durch Berlin, wobei sich mehr und mehr Fahrer_innen nach Hause absetzen. So auch ich. Es ist bereits ziemlich dunkel geworden (Fahrradbeleuchtung ist dringend zu empfehlen!). Und es sollte, wie so oft in diesem durchwachsenen Sommer, noch regnen. So musste ich leider auf das Feierabendgetränk verzichten und weiß immer noch nicht wo die Sprints eigentlich stattfanden, schaffte es aber noch im Trockenen nach Hause.

Ein tolles wöchentliches Highlight, das es auch schnellen Hobbyfahrern außerhalb der klassischen Vereinsstrukturen ermöglicht Gruppenerfahrung zu sammeln. Für alle, die es gemütlicher angehen wollen oder noch eine längere Grundlageneinheit in der Gruppe fahren wollen, ist auch die Samstagsausfahrt zu empfehlen. Ich werde mich jedenfalls nächstes Jahr häufiger bei der Standert-Feierabendrunde blicken lassen. Auch oder gerade weil die Ausfahrt mit Feierabendbier nicht viel gemein hat.

Weitere Infos:

Standert-Feierabendrunde am Donnerstag
Treffpunkt: 18:45 am Standert Café, Invalidenstraße 157; Abfahrt 19:00
Strecken: drei Varianten, je 60-70 km

Standert-Ausfahrt am Samstag
Treffpunkt: 9:45 am Standert Café, Abfahrt 10:00
Strecken: um die 100 km

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