Wusstet ihr, dass es mal Riesenfaultiere gab? Acht Meter lang und sechs Tonnen schwer.
Kein Witz.
Das Riesenfaultier lebte mal auf dem amerikanischen Doppelkontinent und gehörte mit Mammuts, Wollnashörnern, Riesenlöwen, Elefantenvögeln, und riesigen Beuteltieren – den Diprotodons – zu der ehemaligen Megafauna unserer Kontinente. Von solch großen Säugetieren gibt es nicht mehr viele. Elefanten gibt es noch. Und Nashörner ohne Wolle. Giraffen mit langen Hälsen und Elche mit großem Geweih. Das Riesenfaultier aber wurde zusammen mit den meisten seiner Riesenfreunde mit der Ankunft der ersten Menschen ausgerottet.
Verbesserte Jagdtechniken und die Erfindung des Feuers führten damals dazu, dass der Mensch sich nicht mehr ausschließlich von Pflanzen ernährte, sondern häufig auch Fleisch aß. Forscher_innen gehen davon aus, dass Menschen vor ca. 45 0000 Jahren von Afrika und Eurasien aus andere Kontinente eroberten. In der Folge mussten auf dem amerikanischen Kontinent 84 von 107 Großsäugern dran glauben, in Australien sogar 23 von 24.*
Vielleicht wusstet ihr das schon und habt Hararis Buch über die kurze Geschichte der Menschheit schon längst gelesen und verdaut. Mir ist das jedenfalls neu. Ich dachte, das Ausrotten von Tierarten hätten wir erst in den letzten paar Jahrhunderten erfunden und nahezu perfektioniert. Stimmt aber nicht. Anscheinend waren unsere Vorfahren auch schon gut darin.
Das romantische Bild der vorindustriellen Mensch-Natur-Symbiose ist damit leider dahin, sorry Leute. Harari sagt es ziemlich schonungslos:
Schon lange vor der industriellen Revolution hielt der Homo sapiens den traurigen Rekord als dasjenige Lebewesen, das die meisten Tier- und Pflanzenarten auf dem Gewissen hat.**
Wir sind in dieser Hinsicht also nicht so groß anders als unsere Vorfahren, sondern haben einfach effizientere Technologien und sind viel mehr von unser Art. Dadurch können wir mehr Schaden anrichten als die Jäger und Sammler damals und pro Tag etwa 150 Arten verschwinden lassen. Die Gleichung der Geschichte geht etwa so: Mehr Menschen = mehr tote, leidende und ausgerottete Tiere, von der Flora mal ganz abgesehen. Und wenn wir so weiter machen, sind die Ozeane bis 2048 leer.
Das Argument leidenschaftlicher Fleischesser, der Mensch habe Tiere schon in der Vergangenheit ausgebeutet und gegessen, stimmt also. Ich denke, dass es mit der Tradition der Tierquälerei und des Fleischessens wie mit vielen Traditionen ist. Sie müssen geprüft werden. Ich persönlich kenne niemanden, der die Tradition der Kinderopferung verteidigt oder die Hexenverbrennung. Diese Traditionen wurden zu Recht geprüft und verworfen.
Wer die Geschichte des Fleischessens allerdings ohne kritisches Hinterfragen als lineare Erfolgsgeschichte versteht und weiter treibt, kommt zu einem traurigen Ende: alle sogenannten Nutztiere sind in Massentierhaltung und der Rest tot. Oder im Zoo. Oder als röchelnder Mops auf der Couch.
Ich mag solche apokalyptischen Szenarien nicht. Ich finde sie deprimierend und nicht hilfreich. Und ich glaube, dass wir als menschliche Gemeinschaft das Potential haben, kreativere und auch weisere Wege zu gehen als diesen stumpf-linearen Todesweg. Wir haben immerhin das Internet erfunden und die Waschmaschine – und nicht zu vergessen: das Fahrrad! Warum nicht mit diesem seit Jahrtausenden andauernden Wahnsinn aufhören?
Nicht „zurück in die Steinzeit“, das ist Quatsch. Niemand will ohne fließend Wasser und Zahnbürste leben. Außerdem wissen wir ja, dass die Naturzerstörung schon damals begann. Aber wie wärs mit: auf in ein neues Zeitalter?
Henry David Thoreau, der euch vielleicht als Autor des Minimalismus-Klassikers Walden bekannt ist, war seiner Zeit auch bei anderen Themen weit voraus. Bereits Mitte des 19ten Jahrhunderts schrieb er:
Ich hege keinen Zweifel darüber, dass es ein Schicksal des Menschengeschlechts ist, im Verlauf seiner allmählichen Entwicklung das Essen von Tieren hinter sich zu lassen.
Thoreau meint also, dass wir als Gesellschaft die Tradition des Fleischessens hinter uns lassen werden. Mit anderen Worten: Nur weil es schon lange so ist und alle das machen, muss es nicht so bleiben. Thoreau hat die Tradition geprüft und verworfen. Leider ist er nicht nur seiner Zeit, sondern auch unserer Zeit weit voraus.
Dennoch begegnen mir hin und wieder Zeichen, dass die Evolution sich in Richtung Veganismus und Minimalismus bewegt, und das auf dem Rad.
– – – – – – – – –
* Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit, Pantheon, 2015, S. 88
** Eine kurze Geschichte der Menschheit, S. 98
http://pinterest.com/ridingrhino/riding-rhino-friends/
Schreibe einen Kommentar